Feuer im Kopf
Stell dir in deinem Kopf herrscht ein Gewitter. Mit Donner und Blitz. Der Blitz trifft dich alle zwei Sekunden hinter dem Auge und der Donner pocht im Dauerregen gegen die Schläfe und im Nacken. So fühlt sich für mich meine Migräne an.
In den folgenden Zeilen möchte ich über meine Erkrankung Migräne sprechen, denn ich bin der festen Überzeugung, dass neurodivergente Nervensysteme schneller von Migräne betroffener sind als neurotypische, dennoch richtet sich dieser Beitrag an alle Menschen. Denn wir leben immer noch mit dem Stigmata: "Ist doch nur ein bisschen Kopfschmerzen."
An den ersten Migräneanfall konnte ich mich im Alter mit fünf Jahren erinnern, die folgenden Jahre wurden mit häufigen Attacken bei Wetterumschwung oder Veränderung der Höhenmeter ergänzt. Meistens erbrach ich bei den Migräneattacken und es half noch eine geringe Menge von Schmerzmitteln.
In der Pubertät wurde es dann durch die Hormonschwankungen, dem Zyklus und den privaten Belastungen immer schmerzintensiver und länger, zudem entwickelte sich eine Aura. Wenn ich darüber nachdenke, stelle ich fest, dass ich in der Pubertät auch Reize viel intensiver und ausgeprägter wahrnahm, sodass sich Migräneattacken meist gegen Abend nach anstrengenden Tagen zeigten. Auch bei An oder Abreisetagen mit verschiedenen Wetterlagen oder Höhenmeter wurden die Attacken ausgelöst. Und natürlich Stress. Sobald eine starke Frustration in mir herrschte, löste diese einen Anfall aus. Nach einigen Jahren mit ca. 17 Jahren war ich das erste Mal bei einem Neurologen und wurde in die Röhre zitiert. Dort stellte sich heraus, dass ich durch die Häufigkeit schon Vernarbungen gebildet hatten. Ab dem Zeitpunkt wurde der Neurologe mein neuer bester Freund und es wurden sämtliche Medikamente an mir ausprobiert, bis ich schließlich bei der höheren Dosierung der Sumatriptane angelangt war. Außerdem wurden die Anfälle immer länger und die Aura ausgeprägter, bis hin zur halben Bewusstlosigkeit. Ich möchte hier keine Erfahrungsberichte oder Tipps geben, was bei Migräne hilft, da jeder Mensch anders gestrickt ist und auf etwas anderes reagiert, dennoch ist eine gesunde Lebensweise, eine gute Basis für die Profilaxe der Migräne. Ich persönlich hab noch kein super Rezept gefunden.
Mittlerweile sind meine Anfälle zwischen zwei und 72 Stunden lang, unterschiedlich schmerzintensiv, in jeglicher Form anstrengend und beeinträchtigend.
Ich lebe mit Blitzen vor den Augen, Lähmungen im Gesicht und im Arm, Übelkeit und Erbrechen, bis hin zur Apartheit und kurz vor der Bewusstlosigkeit. Die Häufigkeit im Monat ist zwischen 4- 15 Mal. Es gab Zeiten, da hatte ich teilweise 20-25 Schmerztage.
Hochsensibilität und dem dazugehörigen neurodivergenten Nervensystem sind durch die äußerlichen Einflüsse der heutigen Zeit oft Migräne zuzuschreiben und ich denke je mehr zu verarbeiten es gibt, desto häufiger kann sich das in einem Anfall zeigen. Was nicht nur belastend für die Person selber ist, sondern auch für die Umwelt. Denn der Hauptgrund, warum ich in der Arbeit fehle sind Migräneanfälle. Außerdem werden Treffen kurzfristig abgesagt und von Beziehungen aller Art brauche ich gar nicht zu sprechen. Es ist beeinträchtigend in jeglicher Form. Und es macht oft einsam, denn ich bin die Person, die diesen Schmerz alleine aushalten muss. Ich bin diejenige, die brechend über der Kloschüssel hängt und nur noch weinend darum bittet, dass es aufhört. Ich bin die Partnerin, die in der Beziehung, meistens eine Last ist. Ich bin die eine Migränepatientin, die sich überlegen muss, ob sie ihrem Kind das Gleiche antun möchte oder nicht. Ich bin die Frau, die weiß, dass viele Dinge nicht gehen werden oder nur mit der Gewissheit, dass Schmerzen ein Teil davon sein werden. Also was bleibt mir übrig, als zu sagen: Migräne fickt dich. Sie fickt dich hart.