Der innere Kritiker

Er sitzt in der rechten Magengrube ganz dürr und lang. Schaut mich mit seinen leuchtenden Augen an. Er hat ein hämisches Lachen und ist ultragemein, grimmig und schaurig schaut der innere Kritiker in mich hinein.

Wir kennen ihn alle, der innere Kritiker. Der, der die Glaubenssätze aus der Kindheit immer wieder ausspricht und uns daran hindert, wir selbst zu sein.

Mein innerer Kritiker ist schon lange Besucher in meinem Magen. Ich glaube seit meinem 5 Lebensjahr, spricht er ganz böse und unschöne Dinge zu mir. Sobald etwas nicht klappt, sobald jemand nicht die Reaktion zeigt, die sich das innere Kind wünscht, dann geht es los.

"Na was hast du gedacht, dass dich einer mag." "Du bist doch ein Nichts, also verhalte dich auch so." "Wer möchte denn mit dir befreundet sein." "Du bist viel zu laut, viel zu viel und vor allem doch so wenig." Du bist nichts wert und gut genug schon gar nicht."

Ich denke einige finden sich wieder in solchen Sätzen. Nur sind wir nicht auch hier wieder der Schlüssel zur Lösung. Denn wir alle haben uns doch sicherlich schon mit mindestens einem Buch, Podcast oder Magazin zu dem Thema beschäftigt und wissen auch, dass diese Glaubensätze aus unserer Kindheit und Jugend stammen und wir es in der Hand haben, diese für immer aus uns zu verbannen.

Vor der Anerkennung der Hochsensibilität war ich einer der Menschen, die sich nach Außen als stark und selbstbewusst gezeigt hat. Ich konnte taff kontern und ließ mir keine Diskussion entgehen für gesellschaftskritische Themen. Vorträge und Kritik konnte ich super überspielen und trat ruhig auf. Doch innerlich , da saß der hagere dünnere Mann und trimmte mich zur Perfektion, damit das Außen meine Zerrissenheit nicht erkennen konnte. Und er sprach zu mir in einer so fiesen gemeinen und gleichzeitig mächtigen Stimme, dass ich anfing noch besser werden zu wollen. Allerdings war die Spanne zwischen Motivation und Frustration sehr gering, sodass ich schneller frustriert war und der innere Kritiker einen weiteren Moment der Selbstvernichtung bekam. Das ging tagtäglich so und ich konnte machen was ich wollte, es blieb auch so.

Bis ich im Sommer 2024 alles verlor, was mir vermeintliche Sicherheit gab und ich begriff, dass das Schlimmste eingetroffen war, was mir der innere Kritiker immer eingebläut hatte.

"Du bist nichts, also stehst du mit nichts." Ich hatte es selber geschafft mich zu vernichten.

Doch irgendwas in mir wollte das nicht mehr. Ich wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass mein Leben weiter eine Abwärtsspirale läuft. Nachdem ich das entscheide Buch gelesen hatte, war mir klar, dass ich jahrelange Glaubenssätze in mir getragen habe, die nichts mit mir zu tun hatten. Es waren schlichtweg Sätze, die anderen Menschen aus meinem Umfeld oder aus besuchten Institutionen auf mich projiziert hatten, aus ihrer eigenen Biografie oder ihrem eigenen Hass gegen sich selbst. Denn wenn ich ehrlich bin, dann habe ich nie verstanden, warum ich so über mich gedacht habe. Es gab Momente, da war ich fein mit der Version meines Selbst. Da schaffte ich es dem inneren Kritiker zu widersprechen und mich aus seinen bösen Zungen zu befreien.

Ich bin der Meinung, dass wenn wir wieder einmal in die völlige Eigenverantwortung gehen und uns unserer Glaubenssätze bewusst werden, diese umwandeln in positive und vor allem verstehen, dass diese Sätze nicht unser eigener Blick auf uns sind und waren, dass wir sie auch vernichten können. Mit purer Dankbarkeit und Selbstannahme. Es ist nicht leicht und es braucht Mut sich dem inneren Kritiker zu stellen, aber es lohnt sich. Denn durch den Sieg des inneren Kritiker verlieren wir nicht nur das Ego, sondern leben aus einer anderen Kraft heraus. Aus dem Zusammenspiel von dem erwachsenen Ich und dem inneren Kind, dass die Fürsorge des starken, unabhängigen und liebevollen Erwachsenen-Ich bekommt, ohne das noch ein Dritter ein Mitspracherecht bekommt. Heißt es nicht so schön: Drei ist einer zu viel?

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Das Ende der Einsamkeit