Bitte gebe dir mehr Mühe

Werte sind wie ein innerer Kompass, der uns durch das Leben führt. Sie sind die leisen Stimmen, die uns an unsere Integrität erinnern, an das, was wir wirklich sind und was wir anstreben. Doch oft wird das Bemühen, diese Werte zu leben, von der Realität überschattet. Wir scheitern, immer wieder. Und dabei müssen wir uns eingestehen, dass nicht jede Beziehung, nicht jedes Gespräch und nicht jede Begegnung im Einklang mit unseren tiefsten Überzeugungen steht. Manchmal müssen wir loslassen. Manchmal müssen wir uns verabschieden.

Abschiednehmen ist der schmerzhafte Prozess des Verstehens, dass nicht alle Menschen mit uns den gleichen Weg gehen können. Nicht jeder versteht unsere Werte, nicht jeder teilt die Tiefe, die wir in Beziehungen suchen. Wir kämpfen uns durch Jahre des Bemühens, bei anderen anzukommen, angenommen und verstanden zu werden – und dabei verlieren wir uns oft selbst. Die Mühe, gemocht zu werden, lässt uns in Verhältnissen verharren, die uns mehr kosten als sie uns geben.

Dabei erkennen wir irgendwann, dass wir uns nicht mehr verstellen müssen, um dazu zu gehören. Dass wir uns nicht mehr anpassen müssen, um Liebe oder Anerkennung zu finden. Es ist ein langer Prozess, der uns immer wieder vor die Frage stellt, was wahre Verbundenheit bedeutet. Ist es wirklich das ständige Bemühen, das uns zu einander führt? Oder ist es nicht vielmehr das Leben und Leben lassen, das in seiner Freiheit und Akzeptanz tiefere Verbindung schafft?

Doch der Weg dorthin ist nicht einfach. Denn in einer Welt, die oft auf Anpassung und Kompromisse setzt, haben wir Schwierigkeiten, uns abzugrenzen, ohne uns dabei von anderen zu entfernen. Grenzen zu setzen bedeutet oft, sich von Vorstellungen und Beziehungen zu lösen, die einem nicht mehr guttun. Und das tut weh. Denn in jedem Abschied, in jeder Veränderung steckt auch der Verlust von Möglichkeiten, von Vertrautem.

Für Menschen wie mich, die hochsensibel sind, die das Potenzial in anderen erkennen und die Sehnsucht nach Wachstum und Entwicklung in sich tragen, ist dieser Prozess noch intensiver. Wir sehen die Möglichkeiten in den anderen, ihre verborgenen Stärken und die Tiefe, die sie erreichen könnten. Doch oft ist der Wunsch, dass sie sich selbst erkennen und transformieren, größer als die Bereitschaft, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Es ist eine ständige Geduld, eine ständige Erwartung, dass Veränderung von innen heraus geschieht. Doch das Warten – auf das Erkennen, das Wachsen, das Verstehen der Anderen – erschöpft uns irgendwann.

Und dann kommen die Fragen: Warum warten? Gibt es nicht auch Menschen da draußen, die ebenso fühlen und suchen wie wir? Menschen, die bereits auf der gleichen Reise sind, die ähnliche Herausforderungen meistern und die sich ebenfalls nach einer tiefen Verbundenheit sehnen? Vielleicht sind auch sie es, die genauso müde sind vom Warten, vom Kämpfen um Verständnis, vom ständigen Bemühen, sich selbst und den anderen gerecht zu werden. Vielleicht ist es an der Zeit, den Mut zu fassen, neue Verbindungen einzugehen, ohne die Last des alten Wartens mit uns zu tragen.

Es ist ein paradoxer Moment: Zu erkennen, dass wir uns selbst treu bleiben müssen, dass wir uns selbst nicht aufopfern dürfen – und dennoch den Wunsch zu haben, echte Nähe und Verbundenheit zu erfahren. Vielleicht ist die Antwort nicht das Bemühen um Beziehungen, sondern die Bereitschaft, sich selbst zu erlauben, gesehen und gehört zu werden, ohne Angst vor dem Verlust von etwas, das uns nicht mehr dient.

In diesem Prozess des Loslassens, des Abschiednehmens und des Neuanfangs entdecken wir, dass wahre Verbundenheit nicht durch Anstrengung entsteht, sondern durch authentische Begegnungen. Sie entsteht, wenn wir uns erlauben, in unserer ganzen Verletzlichkeit und Stärke zu stehen – ohne den Druck, gemocht oder akzeptiert zu werden. Und vielleicht ist es in dieser Freiheit, in diesem Raum, dass wir endlich die Menschen finden, die ebenso wie wir bereit sind, sich selbst und einander zu verstehen.

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Die Vernissage meines Selbst