Das Ende der Einsamkeit

"Wer die Freiheit liebt- liebt die Einsamkeit." -Provinz

Ich fühlte mich immer dann einsam, wenn ich gezwungen war, mit mir alleine zu sein. Denn ich musste Zeit mit mir verbringen, obwohl das Bedürfnis nach Gesellschaft und Austausch in mir herrschte und lehnte somit auch die Situation ab. Meistens waren in diesen Situationen, in der die Einsamkeit da war, auch nicht die Möglichkeit für Gesellschaft gegeben. Oder vielleicht doch.

Mit den Jahren und auch der Anerkennung der Hochsensibilität, aber auch mit der intensiven Auseinandersetzung meiner Kindheit und Jugend, wurde mir klar, dass Einsamkeit ein eigenes gemachtes Problem ist und auch alleine gelöst werden kann.

Ich denke Einsamkeit hat etwas mit der eigenen Vergangenheit zu tun. In welchen Elternhaus und Umfeld wir groß werden, welche Prägungen und Traumata wir erleben und wie sich die Beziehungsgestaltung zeigt. Und natürlich, wie unser Selbstwert ausgeprägt ist.

In meinem Falle bin ich ein unsicheres gebundenes Kind gewesen, das viele projizierte Ängste in sich trug und durch sein Anders sein auch im frühen Alter sehr heftiges Mobbing erfuhr. In der Jugend zeigte sich die Einsamkeit vor allem, wenn ich alleine am Nachmittag zu Hause saß. Freunde hatte ich wenn in der Schule und die lag in einem anderen Stadtteil, sodass die Freunde überall in und um München verteilt waren. Ich besuchte keinen Sportverein und meine Mutter musste viel arbeiten, sodass ich fast täglich alleine zu Hause war. Mit der Zeit erkannte ich, dass ich anders war und die übliche Dinge, die im Alter von 14-18 Jahren so geschehen für mich sehr weit weg waren. Somit konnte ich kaum mit Gleichaltrigen oder versuchte mich anzupassen. Ich fühlte mich dann einsam, wenn ich keinen Austausch über meine Themen fand oder ich mich mit all meinen Problemen überwältigt fühlte. Mit der Zeit fand ich zwar wieder Freunde und Freundeskreise, war unterwegs, wie jeder in dem Alter ab 18. Habe Erfahrungen gesammelt und die Nächte durchzecht, war wild und jugendlich. Dennoch habe ich mich selbst in dem vollsten Club im Münchner Nachtleben einsam gefühlt, da ich mich selber nicht annehmen konnte und mir immer wieder das Gefühl gab, nicht genug zu sein. Außerdem waren die meisten Freundschaften oberflächlich und ich gab sie mit der Zeit nach und nach auf. Bis nur noch ein kleiner Kreis übrig blieb. Aber wie das nun mal so ist, gibt es Zeiten, da ist jeder verplant und du sitzt wieder alleine zu Hause mit einem anderen Bedürfnis. Aber statt etwas dagegen zu machen, reicht dein Selbstwert nicht aus, einfach auf eigene Faust in Aktion zu treten und der Einsamkeit den Kampf anzusagen und dann ist das noch die Hochsensibilität, die auch einiges in solchen Momenten erschwert. Natürlich war die Einsamkeit der Nährboden für eine Beziehung zu mir selbst und ich fing an in den Zeiten des Alleine seins mich mit mir selber zu beschäftigten. In Form von Hobbies. Langen Spaziergängen, Shopping oder Besuchen in Kunstaustellung. Alles was das Alleine sein erträglicher machte. Mit der Zeit bemerkte ich, dass es da einen Unterschied gibt. Zwischen Alleine sein und Einsamkeit. Alleine sein kannst du wollen. Einsamkeit ist gezwungen. Was soll ich euch schreiben, wenn wir akzeptieren, dass wir gerade nichts an der Situation der Einsamkeit ändern können, so sehr sie uns auch leiden lässt, laden wir das Alleine sein ein und fangen an uns mit uns zu beschäftigen. Kurz wir akzeptieren die Einsamkeit und lehnen sie nicht ab. Und es kann sich manchmal weniger einsam anfühlen, bei einem langen Spaziergang in der Stadt oder im Park, wo Menschen sind. Und das kleinen Gespräch mit dem Kioskbesitzer um die Ecke kann Großes bewirken . Ich denke, wir haben es in der Hand, wie viel Raum wir Einsamkeit geben. Wie wir mit unserer Vergangenheit leben und wie gestärkt wir mit unseren Selbstwert sind. Als ich von meinem Elternhaus in meine erste eigene Wohnung gezogen bin in eine neue Umgebung, wo ich niemanden kannte. Überfiel mich meine Einsamkeit, denn die Freunde waren weit weg. Das Geld knapp und ich durch mein Nichtwissen der HS völlig überfordert mit der Veränderung, zu mal sie sehr plötzlich kam. Ich glaube mindestens 1 Jahr und sechs Monate hat es gedauert, bis ich einigermaßen angekommen war. Die Zeit der Einsamkeit war grauenvoll und ich hatte bis hin zu Panikattacken alles mit dabei. An jedem noch so kleinen Kontakt wurde sich gehangelt und Sonntage waren der Albtraum. Ich ging zu sämtlichen Veranstaltungen, war in VHS Kursen oder versuchte die Zeit alleine irgendwie mit Aktivitäten herumzubringen. Aber das Gefühl von Einsamkeit wollte lange nicht verschwinden. Bis ich nach und nach wieder Freundschaften in meiner neuen Umgebung fand und mich meiner Leidenschaft widmete wurde die Einsamkeit weniger. Doch immer noch auf Veranstaltungen fühlte ich mich unwohl und einsam. Auch nach dem ich mit meinem damaligen Freund zusammenzog. Ich war der festen Überzeugung, dass sich die Einsamkeit dadurch verringern würde. Dem war nicht so. Ich sah meinem Partner dabei zu, wie er selbstbewusst seinen Hobbies und seinen sozialen Kontakten nach ging, während ich zu Hause in der gemeinsamen Wohnung saß und mich einsam fühlte.

Erst mit der Anerkennung der Hochsensibilität und dem verstehen des eigenem System wurde mir klar, dass ich alleine die Einsamkeit besiegen konnte. Denn ich stellte fest, dass aufgrund meines neurodivergenten Nervensystem, meiner Vergangenheit und die daraus resultierenden Päckchen, ich alleine den Schlüssel für eine Veränderung in der Hand hatte. Durch meine Kindheit und Jugend hat Ablehnung in meinem Leben eine große Rolle gespielt, somit lehnte ich mich nicht nur selber ab, sondern auch andere Menschen. Denn durch das nicht vorhanden Vertrauen, war ich vorsichtig in Beziehungen und ließ sie eher auf Distanz oder wollte etwas anderes, da die HS andere Erwartungen an Beziehungen stellt. Durch den fehlenden Selbstwert schloss ich mich selber oft genug aus, obwohl ich die Möglichkeit hatte in Gesellschaft zu treten und durch mein neurodivergenten Nervensystem waren neue Situationen in der Unwissenheit immer wieder ein Problem.

Erst bei der völligen Annahme meines Selbst, entstand ein gesunder Selbstwert und ein Vertrauen. Ich sah das Alleine sein nicht mehr als Strafe an , sondern als Chance meine Batterien wieder aufzuladen. Außerdem konnte ich mit der Zeit , das Alleinsein richtig genießen und bin heute dankbar um jeden Tag, der nur für mich bleibt. Außerdem fing ich an, selber in Aktion zu treten. Ich schloss mich neuen Gruppen an, versuchte mich neuen Sportarten oder Freizeitaktivitäten. Baute Freundschaften wieder auf und fing endlich an meine Bedürfnisse zu äußern, wenn ich mich alleine fühle, dann frage ich, ob ich bei meinen Freunden vorbeikommen kann oder frage im Vorfeld schon nach, wann sich Treffen wieder ergeben. Oder ich gehe alleine raus. Dieses Jahr war ich das erste Mal alleine Feiern und es war großartig. Außerdem schuf ich eine eigene Whatsappgruppe für Frauen und sie wird dankend angenommen. Und vor allem fing ich an mich selber zu lieben und zu akzeptieren für das was ich bin.

Das Zitat am Anfang, ist sehr tiefgründig, denn wenn du dich frei machst von Erwartungen an dich und deine Umwelt, kannst du in der Freiheit leben und die Einsamkeit auch ein Stück weit lieben. Es liegt an dir.

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