Was ist Hochsensibilität?

In diesem Beitrag geht es um meinen Versuch, die Charaktereigenschaft der Hochsensibilität zu erklären. Ich kann für keine hundertprozentige Genauigkeit haften, obwohl meine eigene Hochsensibilität mich zur Perfektion drillt.

Was ist Sensibilität?

Sensibel bedeutet „empfindsam“ zu sein. Das heißt, auf Reize mit bestimmten Verhaltensweisen zu reagieren.

Jede*r besitzt eine unterschiedlich ausgeprägte Sensibilität.

Was ist nun das „Hoch“ in Sensibilität?

Hochsensibilität beschreibt eine Charaktereigenschaft, die bei ca. 10–20 Prozent der Weltbevölkerung vorkommt und gehört zu den neurodivergenten Nervensystemen.

Bei einem neurodivergenten Nervensystem werden Reize anders wahrgenommen und tiefer verarbeitet, sodass die Person andere Rahmenbedingungen braucht, um die gleiche Leistung zu erzielen wie neurotypische Nervensysteme. Diese reagieren, wie der Name schon verrät, mit typischen Verhaltensweisen und bilden den Großteil unserer Gesellschaft. Daher wurden Systeme und Bedingungen auf neurotypische Nervensysteme ausgerichtet, sodass es für Neurodivergente schwer fällt, sich in der Welt zurechtzufinden.

Zu den neurodivergenten Nervensystemen gehören auch Hochbegabung, das Autismus-Spektrum, ADHS, ADS sowie Dyskalkulie und Legasthenie.

Bei der Charaktereigenschaft der Hochsensibilität werden also Reize und deren Verarbeitung ausgeprägter wahrgenommen und verarbeitet. Somit sind hochsensible Menschen schneller durch die Wahrnehmung vieler Reize erregt und befinden sich schneller in der Verarbeitung, sodass sie schneller in Überreizung geraten, was zu Ermüdung und Erschöpfung führen kann. Es fehlt ein Filter im Kopf, der zwischen wichtig und unwichtig unterscheidet. In meinen Worten: Alles wird aufgenommen, alles ist im ersten Moment wichtig, alles braucht mehr Zeit, um eingeordnet zu werden, alles braucht etwas anderes.

Dr. Elaine Aron beschrieb in den frühen 90ern diese Eigenschaft zum ersten Mal und gab ihr auch den Namen. Seitdem beschäftigt sich die Psychotherapeutin mit dem Thema und schrieb unzählige Bücher darüber. Sie gilt als „die Godmother“ der Hochsensibilität. Ihre Erkenntnisse und Testungen werden jedoch heute kritisch hinterfragt, und die Wissenschaft zeigt, dass die ausgeprägte Sensibilität ein viel größeres Spektrum besitzt, was es zu erforschen gilt. Wer sich jetzt fragt, wie man sich testen kann: Es gibt zahlreiche Tests im Internet, die man zur groben Orientierung nutzen kann. Ein MRT kann jedoch aufzeigen, was im Gehirn passiert, wenn eine erhöhte Reizaufnahme stattfindet.

In vier Komponenten können wir uns ansehen, wie sich die Hochsensibilität zeigen kann und in welchen Bereichen die Charaktereigenschaft feiner, intensiver und genauer ausgeprägt ist:

Art der Wahrnehmung (sensorisch)

  • Umweltbezogene Details, wie Geräusche, Lichtverhältnisse oder Gerüche, werden intensiver wahrgenommen.

  • Berührungen oder auch Empfindungen werden intensiver gespürt.

  • Innere Wahrnehmung (Emotionen, Schmerz) des eigenen Körpers wird bewusster wahrgenommen.

  • Sinneswahrnehmungen werden intensiver wahrgenommen.

  • Meist besteht ein besonderer Blick für Ästhetik oder technische Vorgänge.

Art des Denkens (kognitiv)

  • Vertieftes, detailliertes Denken über alles.

  • Hinterfragung und Analyse.

  • Sachverhalte werden genauer betrachtet.

  • Komplexe Zusammenhänge werden schneller erfasst, und es wird nach Lösungen gesucht.

  • Übergreifendes Denken, Planen und Vorbereiten in Lebenslagen.

  • Krisenresistenz.

  • Fantasie, Träume und Kreativität können ausgeprägter sein.

  • Entscheidungen werden durch klares Nachdenken getroffen.

Art des Fühlens (emotional)

  • Ausgeprägte Empathie.

  • Hohes Maß an gefühlsmäßiger Resonanz.

  • Feinfühlige Wahrnehmung hinsichtlich Stimmungen, Befindlichkeiten und Gefühlen oder nonverbaler Kommunikation anderer Menschen.

  • Stärkere und intensivere, sowie negative und positive Empfindungen (auf und ab der Gefühle, Euphorie und Depression).

  • Intuition ist meist ausgeprägter, und es besteht ein Hang zur Spiritualität.

Überreizung

Durch die intensive Wahrnehmung und Reizaufnahme überhitzt das Gehirn schneller, und es kommt zu einer Überaktivierung, was sich durch folgende Anzeichen zeigen kann:

  • Überforderung

  • Überreizung

  • Überstimulation

  • Ermüdung

  • Migräne

  • Magen-Darm-Beschwerden

  • Erschöpfung

  • Krankheitsymptome

Merkmale, die charakterlich vorkommen können:

  • Weltschmerz und Schwarz-Weiß-Denken.

  • Neigung zu Tagträumen.

  • Wertsystem sehr idealistisch.

  • Hohe Erwartungshaltung an sich und andere.

  • Probleme mit Autoritätspersonen.

  • Hoher Gerechtigkeitssinn.

  • Ausgeprägte Aufrichtigkeit.

  • Geld wird als materialistisch gesehen.

  • Schwierigkeiten, Grenzen zu ziehen.

  • Denkt für die Umwelt mit und hat einen ganzheitlichen Blick.

  • Hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein.

  • Mut kann genauso ausgeprägt sein wie die eigenen Überzeugungen.

  • Erkennen das Potenzial anderer oder in Systemen.

  • Haben eine schnelle Lösungsfindung.

  • Können technisch oder künstlerisch begabt sein.

Kurz gesagt: Es braucht länger, bis Reize verarbeitet werden. Bei übermäßiger Reizaufnahme ist das nicht besonders einfach, aber nicht unmöglich.

Was braucht ein hochsensibler Mensch? (In meiner Wahrnehmung)

  • Das Gehirn braucht Futter, da es im Dauerradar ist, was zu einem schnelleren Gedankenkarussell führen kann. Daher sollte sich etwas gesucht werden, das einen interessiert und weiterbringt. Ich persönlich schreibe diesen Blog.

  • Dem Körper fehlen gewisse Botenstoffe, daher sollte auf Vitamin D, Magnesium, Proteine und Serotonin-Zufuhr geachtet werden.

  • Genügend Schlaf, Pausen und reizarme Umgebungen sollten aufgesucht werden.

  • Die Sinnesfrage sollte geklärt werden: Was wird als interessant und sinnvoll eingestuft, was nicht.

  • Meditation, Yoga und Sport können bei der Stressreduzierung helfen.

  • Der Cortisolspiegel sollte gering gehalten werden.

  • Es kann zu Appetitlosigkeit bei Überreizung kommen, daher sollten feste und regelmäßige Mahlzeiten eingenommen werden, ebenso wie zwischendurch Snacks.

  • Eine gesunde Selbstfürsorge und Eigenverantwortung – wie das aussieht, sollte jede*r für sich selbst herausfinden.

Extroversion vs. Introversion

Ich möchte noch kurz auf diese beiden Charakterzüge eingehen, da sie bei fast allen Menschen vorkommen und gerade im Bezug auf Hochsensibilität interessant werden könnten.

Extrovertiert bedeutet, nach außen gerichtet zu sein, und introvertiert bedeutet, nach innen gerichtet zu sein. Beide Charaktereigenschaften haben Auswirkungen auf Wahrnehmung, Intuition, Denken und Fühlen.

Extrovertierte Menschen ziehen ihre Energie von außen. Das bedeutet, dass sie ihre Batterien durch Kontakt und Austausch mit der Umwelt aufladen. Introvertierte Menschen beziehen ihre Energie im Alleinsein.

Beide Anteile sind in uns Menschen vorhanden, jedoch unterschiedlich ausgeprägt.

Im Bezug auf die Hochsensibilität ist es interessant, da ca. 30 Prozent extrovertiert sind und daher zwei unterschiedliche Bedürfnisse abgewogen werden müssen. Der ständige Spagat zwischen Anspannung und Entspannung. Ich selber bin extrovertiert und bin gerade am Erlernen, diesen nicht ganz so einfach zu meistern.

Wer sich nun angesprochen fühlt, kann im Internet einen Test machen. Mir persönlich hat das Buch „Ich denke zu viel“ von Christel Petitcollin geholfen.

In den weiteren Einträgen werde ich auf meine persönlichen Erfahrungen in Bezug auf meine Hochsensibilität eingehen.

Zurück
Zurück

Frankfurt Baby!

Weiter
Weiter

Ich bin hochsensibel- holt mich hier raus